(Originalfassung)
Buddhistische Gesänge haben eine lange und komplexe Geschichte, insbesondere in Japan, wo sie eine zentrale Rolle in der religiösen Praxis und der kulturellen Tradition einnehmen. Diese Gesänge, oft als „Shōmyō“ (声明) bezeichnet, sind eng mit der Entwicklung des Buddhismus in Japan verbunden und haben sich über die Jahrhunderte hinweg in verschiedenen Formen und Stilen entwickelt.
Ursprünge und Anfänge des buddhistischen Gesangs in Japan
Die Geschichte des buddhistischen Gesangs in Japan beginnt mit der Einführung des Buddhismus im 6. Jahrhundert. Offizielle Einführung war im Jahr 552 n. Chr., als der koreanische König Seong von Baekje eine Buddha-Statue und einige Sutras an den japanischen Kaiser Kinmei schickte. Dies markierte den Beginn der Verbreitung des Buddhismus in Japan. Mit dem Buddhismus kam auch die Praxis des Sutra-Rezitierens, die später in die Praxis des gesungenen Shōmyō (声明) übergehen sollte. Die ersten tatsächlich dokumentierten Hinweise auf buddhistische Gesänge in Japan stammen aus der Nara-Zeit (710–794), als die buddhistische Religion unter staatlicher Förderung florierte. In dieser Zeit wurden die Grundlagen für die buddhistische Liturgie gelegt, einschließlich der Gesänge, die bei religiösen Zeremonien verwendet wurden.
Der Begriff „Shōmyō“ bezieht sich auf die Rezitation buddhistischer Sutras und anderer heiliger Texte in gesungener Form. Diese Praxis stammt ursprünglich aus Indien, wo die Veden in einer ähnlichen Weise rezitiert wurden, und wurde durch die Vermittlung über China und Korea nach Japan gebracht.
Gesangstechniken und Stile
Shōmyō ist eine anspruchsvolle Gesangspraxis, die eine Vielzahl von Techniken und Stilen umfasst. Die beiden Hauptstile des Shōmyō sind der „Bonsan“ (梵唄) und der „Kansan“ (漢唄). Bonsan basiert auf indischen und chinesischen Modellen und wird hauptsächlich in Sanskrit gesungen, während Kansan in klassischem Chinesisch rezitiert wird.
Eine besondere Technik des Shōmyō ist die Verwendung von langen, getragenen Tönen und Melodien, die auf einer pentatonischen Skala basieren. Diese Gesänge sind oft sehr repetitiv und meditativ, was ihre Verwendung in der Meditation und spirituellen Praxis unterstützt. Eine der zentralen Techniken ist die Rezitation auf einem einzigen, langen Ton (Tenchō), gefolgt von Melodien, die sich durch ihre langsame, meditative Natur auszeichnen. Diese Techniken erfordern eine intensive Atemkontrolle, Präzision in der Intonation und Konzentration, , da es darauf ankommt, die spirituelle Bedeutung der Texte zu vermitteln. Die Kunst des Shōmyō wird traditionell mündlich von Meister zu Schüler weitergegeben.
Wer sang und singt diese Gesänge?
Traditionell wurden buddhistische Gesänge von Mönchen und Nonnen in Tempeln ausgeführt. Diese Gesänge sind ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Andachten und der Durchführung von religiösen Zeremonien, wie zum Beispiel Trauergottesdiensten und Festen.
Heute werden buddhistische Gesänge weiterhin von Mönchen praktiziert, aber auch von Laienanhängern, die sich in Gesangsgruppen organisieren. In einigen Tempeln gibt es sogar spezielle Schulen oder Kurse, in denen Laien die Kunst des Shōmyō erlernen können.
Regionale Spezifikationen
Während die grundlegenden Techniken des Shōmyō in ganz Japan verbreitet sind, gibt es regionale Unterschiede, die durch die verschiedenen buddhistischen Schulen und ihre spezifischen Rituale bedingt sind. Zum Beispiel unterscheidet sich der Shōmyō der Tendai-Schule, die auf dem Berg Hiei in der Nähe von Kyoto ansässig ist, in einigen Aspekten von dem der Shingon-Schule, die ihre Hauptsitze auf dem Berg Kōya hat.
Ein weiteres Beispiel für regionale Unterschiede ist der „Yamato Shōmyō“ (大和声明), eine Form des Gesangs, die in der Nara-Region praktiziert wird und als besonders alt und rein angesehen wird.
Relevanz in der Gesellschaft
Buddhistische Gesänge spielten historisch gesehen eine zentrale Rolle in der japanischen Gesellschaft, da sie eng mit den religiösen Praktiken und der spirituellen Kultur verbunden sind. Sie wurden nicht nur in Tempeln praktiziert, sondern auch bei staatlichen Zeremonien und in der höfischen Kultur. Während der Heian-Zeit (794–1185) erlebte der Shōmyō eine Blütezeit, als er auch am kaiserlichen Hof geschätzt wurde.
Heutzutage sind buddhistische Gesänge weiterhin relevant, insbesondere bei religiösen Zeremonien wie Beerdigungen, Gedenkfeiern und anderen wichtigen Ritualen. Zudem haben sie eine gewisse Popularität in der modernen japanischen Kultur erlangt, indem sie in Meditationspraktiken und sogar in der modernen Musikszene ihren Platz gefunden haben.
Musikalische Beispiele von früher und heute
Ein berühmtes Beispiel für traditionellen buddhistischen Gesang in Japan ist die „Shichi-Koshō“ (七高僧), eine Sammlung von Gesängen, die den sieben bedeutendsten Mönchen der frühen japanischen Buddhismusgeschichte gewidmet ist. Diese Gesänge werden in den Tempeln von Kyoto und Nara noch heute gepflegt.
In der modernen Zeit gibt es verschiedene Adaptionen und Neuinterpretationen des Shōmyō, oft in Verbindung mit anderen Musikgenres. Zum Beispiel hat der Komponist Tōru Takemitsu (1930–1996) Shōmyō in einigen seiner Werke integriert, um eine Brücke zwischen traditioneller und moderner Musik zu schlagen.
Bezüge zu Meditationstechniken
Shōmyō ist eng mit den Meditationspraktiken des Buddhismus verbunden. Der rhythmische und repetitive Charakter der Gesänge unterstützt die Konzentration und das Eintauchen in einen meditativen Zustand. Viele der gesungenen Texte sind Sutras oder Mantras, die speziell dafür gedacht sind, den Geist zu beruhigen und spirituelle Einsichten zu fördern.
Ein Beispiel für die Verbindung von Shōmyō und Meditation ist die Praxis des „Shingon-Chanting“, bei der Mönche und Praktizierende bestimmte Mantras oder Sutras wiederholen, um einen Zustand tiefer Konzentration zu erreichen.
Bekannte Persönlichkeiten und Schöpfer von Gesängen
Im Laufe der Geschichte gab es viele bedeutende Mönche und Komponisten, die zur Entwicklung des Shōmyō beigetragen haben. Einer der bekanntesten ist Kūkai (774–835), der Gründer der Shingon-Schule des Buddhismus. Kūkai brachte zahlreiche Sutras und Gesänge aus China nach Japan (806 n.Chr.) und entwickelte eigene Liturgien, die bis heute in der Shingon-Tradition verwendet werden.
Ein weiterer bedeutender Beitrag kam von Saichō (767–822), dem Gründer der Tendai-Schule, der ebenfalls wesentliche liturgische Gesänge einführte, die bis heute gesungen werden.
Entwicklung der Gesänge: Themen, Techniken, Popularität
Die Themen der buddhistischen Gesänge haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, wobei der Fokus traditionell auf religiösen und spirituellen Inhalten lag. Die Techniken des Shōmyō haben sich ebenfalls verfeinert und diversifiziert, mit einer wachsenden Komplexität in Melodie und Rhythmus.
Die Popularität buddhistischer Gesänge hat im Laufe der Jahrhunderte Höhen und Tiefen erlebt. Während sie in der Heian-Zeit sehr populär waren, verloren sie in den folgenden Jahrhunderten etwas an Bedeutung, bevor sie im modernen Japan eine Art Renaissance erlebten, insbesondere in der Edo-Zeit (1603–1868), durch die Förderung des Buddhismus seitens der Tokugawa-Regierung.
Ausländische Einflüsse
Die Ursprünge des Shōmyō sind stark von ausländischen Einflüssen geprägt, insbesondere aus Indien und China. Diese Einflüsse sind nicht nur in der Gesangstechnik, sondern auch in den Texten und der allgemeinen spirituellen Ausrichtung zu erkennen. Zudem wurden auch melodische Strukturen aus Indien und China übernommen.
Im modernen Japan gibt es auch westliche Einflüsse auf den Shōmyō, insbesondere in der Art und Weise, wie er in der zeitgenössischen Musik und Kunst integriert wird. Komponisten wie Tōru Takemitsu und einige moderne Musiker haben versucht, Elemente des Shōmyō mit westlicher Musik zu verschmelzen, was zu neuen, innovativen Musikstilen wie zum Beispiel der Zen- und Meditationsmusik geführt hat.
Fazit
Die buddhistischen Gesänge in Japan sind ein faszinierendes Beispiel für die tiefe Verbindung zwischen Religion, Kultur und Musik. Sie haben eine reiche Geschichte, die von den Anfängen des Buddhismus in Japan bis in die moderne Zeit reicht. Ihre Entwicklung spiegelt sowohl den Einfluss anderer Kulturen als auch die einzigartigen kreativen Beiträge japanischer Mönche und Musiker wider. Shōmyō bleibt ein lebendiger Teil der japanischen spirituellen Tradition und hat sich als eine Kunstform bewährt, die sowohl altehrwürdig als auch offen für neue Einflüsse ist.